Windmühlen

Im Wind der Zeit

Im Wind der Zeit – Die Geschichte der Windmühlen auf Fuerteventura
Es war einmal eine Insel, karg, windumtost und voller Stille – Fuerteventura. Die Menschen lebten einfach, dicht am Rhythmus der Natur, und der Wind war ihr ständiger Begleiter. Was heute Besucher als angenehm frische Brise empfinden, war für die Einheimischen ein unsichtbarer Arbeitskamerad – und irgendwann sogar ihre wichtigste Energiequelle.
Lange bevor sich hölzerne Flügel in den Himmel reckten, mahlten die Menschen ihr Getreide mühsam per Hand. Die Mahltrommeln aus Lavastein – „molinos de mano“ – lagen in jeder Küche, und die tägliche Zubereitung von Gofio, dem gerösteten Getreidemehl, war Arbeit für starke Arme. Wer etwas mehr besaß, nutzte eine „Tahona“, eine von Tieren angetriebene Steinmühle, die in mühsamen Kreisen drehte.
Doch die Bevölkerung wuchs, die Anforderungen stiegen – und der Wind war da. Immer. Ohne Pause.
Im 18. Jahrhundert begannen sich die ersten Windmühlen über der kargen Landschaft zu erheben. Stein auf Stein, Holzbalken für das Dach, ein mechanisches Herz aus Zahnrädern, Wellen und Mühlsteinen – geboren aus der Notwendigkeit, geformt durch spanische Einflüsse, inspiriert von nordafrikanischen Konstruktionen. 
Zunächst waren es die runden Molinos mit ihrem Turm und dem Obergeschoss für das Mahlwerk. Später kamen die Molinas hinzu – flacher gebaut, aber mit durchdachter Raumaufteilung. Diese neuen Mühlen nutzten den Wind genauso, doch der Müller arbeitete nun vollständig im unteren Raum: Drehte die Segel, füllte das Korn ein, verpackte das Mehl – alles an einem Ort, effizient und ausgereift.
Denn der Müller war nicht nur ein Handwerker – er war ein Tüftler, Wetterkenner und Mechaniker zugleich. Er kannte die Launen des Himmels, wusste, wann der Wind stark genug war oder zu drehen begann. Früh am Morgen kontrollierte er die Segel, prüfte die Wellenlagerung, bereit, den Tag mit dem Wind zu beginnen.
Bauern brachten ihre vollen Säcke, nicht selten auf Eseln, zur Mühle. Dort wurde gelacht, gehandelt, erzählt – die Mühle war nicht nur Arbeitsstätte, sondern auch Treffpunkt. Und während der Mühlstein sich drehte und das Korn zermalmte, duftete es nach frisch geröstetem Gofio und Mehlstaub lag in der Luft wie feiner Nebel.
Windmühlen waren nicht nur technische Gebäude, sie waren Lebensadern. Ohne sie kein Gofio, kein Brot, kein Alltag. Sie bestimmten den Rhythmus der Dörfer. Wenn der Wind stark genug war, begann der Tag für alle früher – denn dann drehte sich das große Rad, dann wurde gearbeitet.
Für viele Familien war die Mühle auch ein Ort des Überlebens. Wer kein eigenes Getreide hatte, half beim Mahlen, beim Reparieren oder brachte Ziegenkäse zum Tausch. Die Mühle war Wirtschaftsknoten, soziale Bühne und Technikwunder in einem.
Der Wandel
Mit der Zeit kamen neue Maschinen, Ideen, Touristen. Der Wind, der jahrhundertelang als Arbeitskamerad treu und zuverlässig seine Dienste geleistet hatte, war nun ein Störfaktor. Der Alltag wurde effizienter, schneller und seelenloser. Die Mühlen verstummten. Ihre Flügel fielen der Witterung zum Opfer, ihr Mauerwerk zerbröselte am Salz der Luft.
Doch wir vergessen sie nie. Heute stehen viele von ihnen in der Landschaft – stumme Zeugen einer Zeit. Begehrte Fotoobjekte abgehetzter Touristen. Es war einmal eine Insel, in der der Wind das Leben bestimmte, und der Müller der Dirigent dieses Tanzes war – und das Leben noch dem Rhythmus folgte.
Die traditionellen Windmühlen von Fuerteventura
Die Windmühlen auf Fuerteventura sind nicht nur beeindruckende historische Gebäude, sondern auch Meisterwerke traditioneller Ingenieurskunst, die der Insel ihren einzigartigen Charme verleihen. Jede Mühle besteht aus mehreren essenziellen Komponenten:
Turm/Gerüst
Das Fundament der Mühle besteht aus robustem Stein oder Ziegel und trägt die gesamte Konstruktion. Der Turm ermöglicht es der Mühle, den Wind effektiv zu nutzen und bietet gleichzeitig Stabilität.
Drehbarer Mühlenkuppe (Molino)
Der obere Teil der Mühle, der sich je nach Windrichtung dreht, um die Segel richtig auszurichten. Dieser mechanische Mechanismus ermöglicht es der Mühle, sich optimal in den Wind zu stellen und ist ein präzises Beispiel für die Ingenieurskunst vergangener Zeiten.
Windflügel/Segel
Die großen, schaufelartigen Windflügel fangen den Wind ein und setzen dessen Energie in eine Drehbewegung um. Sie sind das zentrale Element, das die Mühle zum Leben erweckt.
Windachse und Getriebemechanismus
Die Windachse überträgt die Drehbewegung der Segel auf den Getriebemechanismus, der die Rotation an die Mahlsteine im Inneren der Mühle weitergibt.
Mahlkammer
In der Mahlkammer werden Körner gemahlen und zu Gofio verarbeitet – ein traditionelles kanarisches Nahrungsmittel, das die Grundlage vieler lokaler Gerichte bildet.
Diese Windmühlen sind ein faszinierendes Zeugnis der Ingenieurskunst und ein Symbol der kanarischen Kultur. Sie haben die Insel über Jahrhunderte hinweg mit der Energie versorgt, die für die Getreideverarbeitung notwendig war.
Molino
Molino
Molina
Molina
Ernte
Ernte
Röstung
Röstung
Mahlen
Mahlen
Verarbeitung
Verarbeitung
Markt
Markt
Kochen
Kochen
Der traditionelle Verarbeitungsprozess durch die Windmühlen von Fuerteventura
Wenn der Wind über die Hügel von Fuerteventura streicht, erinnert er an eine Zeit, in der seine Kraft nicht nur Wetter, sondern auch Arbeit bedeutete. Die traditionellen Windmühlen der Insel waren einst das Herzstück eines fein abgestimmten Prozesses, in dem Natur, Technik und Handwerk Hand in Hand gingen. Über Jahrhunderte hinweg prägten sie die Ernährung, das tägliche Leben und die Identität der Insel.
Der gesamte Ablauf – von der Ernte bis zum fertigen Produkt – lässt sich in mehrere zentrale Schritte gliedern:
1. Ernte und Vorbereitung
– Auswahl und Ernte von Getreide  
Mit Sicheln bewaffnet zogen die Bauern im Morgengrauen durch die Felder, das Rascheln des Getreides im Wind begleitete ihren Takt. Vor allem Weizen und Gerste wurden auf den fruchtbaren Böden der Insel angebaut. Sorgfältig wurden die kräftigsten Pflanzen ausgewählt und per Hand geschnitten – eine mühsame, aber zentrale Aufgabe in der Landwirtschaft.
– Trocknung und Reinigung der Körner 
Nach der Ernte breitete man das Getreide auf großen Tuchflächen oder Steinböden aus, wo es mehrere Tage unter der heißen Sonne Fuerteventuras trocknete. Die Körner wurden anschließend von Staub, Hülsen und Fremdkörpern befreit – ein Prozess, der die Qualität des Endprodukts maßgeblich bestimmte.
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2. Röstung
Die gerösteten Körner bildeten das aromatische Herzstück der späteren Verarbeitung. In offenen Tonpfannen oder über Feuerstellen direkt in der Mühle wurden sie unter stetigem Rühren erhitzt.  
Ein nussiger, leicht rauchiger Duft durchzog dabei die Luft – das unverkennbare Aroma, das später das Gofio prägte. Neben dem Geschmack verlängerte das Rösten auch die Haltbarkeit des Mehls – ein entscheidender Vorteil in den trockenen Monaten.
3. Mahlen
– Windkraftbetriebene Mühlen  
Wenn der Wind auffrischte, begannen die Segel der Mühle sich zu drehen. Der obere Teil der Mühle – die drehbare Kuppel – wurde so ausgerichtet, dass sie den Wind optimal einfing. Dann setzte sich das hölzerne Zahnradwerk in Bewegung, das die schweren Mühlsteine antrieb. Es war ein harmonisches Zusammenspiel aus Naturkraft und menschlichem Ingenieursgeist.
– Fein- oder Grobmahlung  
Die Müller bestimmten durch geschickte Justierung, wie grob oder fein das Korn gemahlen wurde. Für Gofio wurde das Mehl oft etwas gröber belassen, was ihm seinen typischen, kernigen Charakter verlieh. Feines Mehl diente hingegen zur Herstellung von Brot oder Gebäck.
4. Verarbeitung zu Gofio
Nach dem Mahlen war das Getreide bereit für seine finale Bestimmung: die Herstellung von Gofio.  
Dieses vielseitige Mehl wurde entweder pur verwendet oder mit Flüssigkeiten wie Brühe, Milch oder Wasser vermengt. Daraus entstand ein nahrhafter Brei oder Teig – oft mit den Händen geformt, traditionell in Holzschüsseln angerührt. In jeder Familie gab es eigene Mischungen, Vorlieben und Rituale – Gofio war mehr als Nahrung, es war ein Teil der kulturellen Identität.
5. Verkauf und Verzehr
– Historischer Handel  
Gofio war auf Fuerteventura ein wertvolles Handelsgut. Auf lokalen Märkten wurde es in Jutesäcken oder Tonkrügen angeboten, oft frisch gemahlen direkt neben der Mühle. In späteren Jahren erlangte es sogar überregionale Bekanntheit und wurde auf andere Kanarische Inseln und darüber hinaus exportiert – vor allem wegen seiner langen Haltbarkeit und Nährstoffdichte.
– Traditionelle und moderne Gerichte  
Während Gofio früher vor allem in einfachen Speisen wie „Gofio escaldado“ (mit Brühe überbrüht) oder „Gofio con leche“ (mit Milch angerührt) verwendet wurde, findet man es heute auch in modernen Rezepten: in Desserts, Eiscreme, Smoothies und sogar in Gourmet-Restaurants. So lebt die Tradition in neuer Form weiter.
Ein Erbe im Wind
Heute, wenn der Wind durch die stillgelegten Flügel der alten Mühlen streicht, trägt er die Geschichten von Generationen mit sich – von Händen, die Korn schnitten, von Feuerstellen, an denen geröstet wurde, und von Mahlwerken, die aus einfacher Erde ein Grundnahrungsmittel machten.  
Die Windmühlen Fuerteventuras sind mehr als Bauwerke – sie sind stille Zeugen einer Ära, in der der Wind Leben bedeutete.
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