
Corralejo – Ein Tag, der alle Sinne berührt
Es gibt Tage, an denen man mit einem Gefühl erwacht, dass alles perfekt sein könnte – der Duft von frisch gebrühtem Kaffee erfüllt die Küche, die ersten Sonnenstrahlen kitzeln die Haut, und der Gedanke an großartige Fotos, die den Tag unvergesslich machen sollen, schwebt in der Luft. So begann auch unser Tag in Corralejo, der sich bald als ein Spektakel voller skurriler und berührender Momente entpuppen sollte, bei denen Wunsch und Realität auf wundersame Weise miteinander rangen.
Der Morgen startete vielversprechend: Während ich den aromatischen Kaffee in der Tasse schwenkte und der heiße Dampf sanft an mein Gesicht zog, verströmte der knusprige Duft frisch getoasteten Brots eine Wärme, die mich in die Erinnerung an sorglose Kindheitstage versetzte. Inmitten dieses harmonischen Beginns bereitete sich Sandra mit professioneller Akribie auf den Ausflug vor – jede Bewegung schien von einer stillen Vorfreude getragen, als wollte sie mit jedem Handgriff die perfekte Aufnahme einfangen. Doch schon bald sollte sich zeigen, dass selbst in solch idyllischen Momenten die Realität ihre eigenen, überraschenden Wendungen bereithält.
Während Sandra eifrig unser Equipment ordnete, stellte sich heraus, dass Multitasking manchmal seine Tücken hat. Mit einem Toast im Mund und einem schelmischen Lächeln fragte sie: „Hast du das 70-200mm-Objektiv eingepackt?“ Meine Antwort, zwischen genüsslichem Kauen hervorgebracht, klang unsicher: „Hmrf… ja… glaube ich… oder vielleicht doch nicht…?“ Ein prüfender Blick meiner Frau – der Blick, der schon so vieles ohne Worte sagen kann – verriet mir, dass ich das Objektiv wohl mit einem Boccadio verwechselt hatte. Dieser humorvolle Moment, durchzogen von einer leichten Verlegenheit, setzte den Ton für den weiteren Tag, der sich als eine Mischung aus chaotischem Abenteuer und liebevoller Zweisamkeit entpuppen sollte.
Kaum hatten wir die ersten Kilometer in unserem Bobby-Car hinter uns, öffnete sich vor uns die magische Welt der Dünen von Corralejo. Der Sand, in einem atemberaubenden Goldton, schimmerte unter der gleißenden Sonne, während sanfte Wellen von feinen Körnern das weite Land wie ein lebendiges, sich ständig veränderndes Gemälde erscheinen ließen. Mit jedem Schritt spürte ich die warme, fast seidige Textur des Sandes unter meinen Füßen – und bemerkte, wie sich kleine Körner wie winzige Küsse auf meiner Haut niederließen. Die Landschaft war nicht nur visuell beeindruckend, sondern auch ein Fest der Sinne: Der Geschmack der salzigen Luft, das leise Rauschen des Windes, der durch die Dünen strich, und das sanfte Knirschen beim Gehen über die trockene Oberfläche.
Inmitten dieser beeindruckenden Kulisse entschied sich Sandra für ein außergewöhnliches Foto-Experiment. Gekleidet in ein festliches, tiefblaues Abendkleid, das in starkem Kontrast zum goldenen Sand stand, posierte sie mit einer Mischung aus Eleganz und leichtem Trotz gegen den unbändigen Wind. Während das Kleid in alle Richtungen zu flattern schien und sich mit Sand vermischte, wirkte Sandra wie eine Figur aus einem surrealen Märchen – fast so, als ob sie aus einer anderen Zeit in diese moderne Wüstenlandschaft eingetaucht wäre. Ich stand mit der Kamera bereit, konzentriert und fasziniert zugleich, während ich versuchte, den perfekten Moment einzufangen – und dabei gleichzeitig darauf achtete, meine eigenen Füße nicht zu verlieren, die unaufhaltsam tiefer im weichen Sand versanken.
„Helmuth, du siehst aus, als hättest du keine Füße mehr“, neckte Sandra lachend, als sie die nächste Pose einnahm. Trotz des leichten Spotts spürte ich, wie sich in mir ein warmes Gefühl der Verbundenheit ausbreitete – ein Gefühl, das all die kleinen Missgeschicke und die unvermeidliche Unordnung des Lebens in etwas Charmantes und Liebenswertes verwandelte. „Nenn es künstlerische Erdung“, konterte ich und konnte dabei das Kichern in ihrer Stimme förmlich hören.
Nach diesem amüsanten und zugleich intensiven Erlebnis in den Dünen führte uns unser Weg zum Meer, wo das Spiel von Licht und Wasser ein neues Kapitel unseres Abenteuers aufschlug. Das Wasser wirkte wie ein flüssiger Spiegel, der die grelle Sonne in funkelnde Strahlen verwandelte. Als Sandra im seichten Nass lag, spürte ich das kühle, erfrischende Wasser auf meiner Haut und hörte das leise Plätschern der Wellen, die sich sanft über sie ergossen. Es war, als hätte die Natur selbst ein stilles Ballett inszeniert – ein Schauspiel, in dem auch ich, unfreiwillig, eine Hauptrolle spielte. Eine besonders launische Welle erwischte mich unvorbereitet, und plötzlich fand ich mich in einem unfreiwilligen Balanceakt wieder, der an eine Mischung aus Kung-Fu und klassischem Ballett erinnerte. Zwischen Lachanfällen und leichten Erstickungsanfällen vor Lachen schrie Sandra: „Helmuth!“ – ein Ruf, der in diesem Moment alles andere übertönte.
Nachdem sich das Chaos etwas gelegt hatte und ich das Wasser aus meinen Haaren schüttelte, die Kameras inspizierte und das Fotoshooting mit mega Bildern bereicherte, blieben die Eindrücke des Tages tief in mir verankert. Das Meer hatte inzwischen nicht nur unsere Füße, sondern auch unsere Badebekleidung und sogar die zarte Haut an den unbarmherzigsten Stellen erobert – ein ständiger, prickelnder Beweis der Naturgewalt, der uns noch lange in Erinnerung bleiben sollte. Beim Trocknen und Sonnenbaden genossen wir die warmen Strahlen. Nach einiger Zeit fragte ich schmunzelnd: „Sag mal… sind wir hier wirklich die einzigen mit Badebekleidung?“ Sandra musterte die Umgebung, in der rüstige Senioren in freizügiger Kleidung mit einer fast philosophischen Gelassenheit flanierten, und nickte. Ungläubig schüttelten wir beide unsere Handtücher aus, gönnten uns noch einen musternden Blick zur Insel Lobos und den vielen Kite-Surfern und machten uns auf den Fußmarsch durch die Dünen zu unserem Bobby-Car.
Hungrig und erschöpft, aber erfüllt von all den sinnlichen Eindrücken, machten wir uns schließlich auf den Weg zum Yachtclub La Vela – dem besten Restaurant der Insel. Bereits beim Betreten umfing uns ein betörender Duft, der den frischen, salzigen Geruch des Meeres mit der Wärme von aromatischen Kräutern und frisch zubereitetem Fisch verband. Der erste Bissen eines perfekt gebratenen Fisches, begleitet von einem Glas erlesenem Weißwein, löste in mir ein Gefühl aus, das fast schon als paradiesisch beschrieben werden könnte. „Sandra“, flüsterte ich ehrfürchtig, während der Geschmack des Essens meine Sinne überwältigte, „das ist nicht nur kulinarisch – das ist pure Ekstase.“ Sie lächelte mit vollen, zufriedenen Wangen und meinte: „Deswegen werden wir nie diese Insel verlassen.“
Den Abend rundete ein gemütlicher Spaziergang am Hafen ab. Während wir durch die laue Abendluft schlenderten, entdeckten wir skurrile Details: Am Strand lagen von der Natur geformte Muscheln und zusammengeklebt wirkende Sandreste, die wie Popcorn anmuteten – eine kleine, humorvolle Erinnerung an den ungezähmten Geist Fuerteventuras. Als die Sonne langsam im Meer versank und der Himmel in einem spektakulären Spiel aus Orange-, Rot- und Goldtönen erstrahlte, ließen wir den Tag in stiller Zufriedenheit Revue passieren.
Die Mischung aus skurrilem Humor, überwältigender Natur und intensiven, sinnlichen Momenten machte diesen Tag zu einem unvergesslichen Erlebnis – ein perfektes Foto, das zwar chaotisch und voller Überraschungen war, aber am Ende einfach wunderschön. Die Erinnerungen an den Geschmack des frischen Fisches, das Prickeln des Salzwassers auf der Haut, das Kitzeln des warmen Sandes unter den Füßen und den betörenden Duft von Kräutern und Meeresbrise bleiben lebendig und laden dazu ein, Corralejo selbst zu entdecken und zu erleben.







































